
Ich muss zugeben, dass ich früher deutlich mehr schlechte Tage hatte als heute. Früher, das heißt noch vor gut einem Jahr, als Schreiben für mich immer noch bloß ein „guilty pleasure“ war, ein Geheimnis, ein stilles Vergnügen, das mit ganz viel Angst und Unsicherheit verbunden war.
Wie jede künstlerische Tätigkeit, so ist auch das Schreiben mit ganz vielen Gefühlen beladen. Was transportieren wir in unseren Büchern denn anderes als unsere Gefühle? Unsere Projekte liegen uns ganz besonders am Herzen, wir müssen mit unserer emotionalen Seite an sie herangehen, um kreativ sein zu können, unser Herz und alle Sinne hineingeben, um unsere Figuren zum Leben zu erwecken, sie zu spüren und mit ihnen leiden zu können.
Im Rahmen der Geschichte ist das gut. Problematisch wird es, wenn es darum geht, unser Projekt aus der Traumwelt in die Realität zu holen. Auf der einen Seite stehen unsere Geschichte und die Sehnsüchte, die wir damit verbinden: gelesen zu werden, Lob zu erhalten, Bücher zu verkaufen, entdeckt zu werden. Wenn du Bücher schreibst, kommt früher oder später der natürliche Wunsch, gelesen zu werden.
In der Realität reicht es aber nicht, emotional zu sein und zu träumen. Die Realität verlangt von uns, rational zu sein, strategisch zu denken, unsere Projekte zu bewerben, uns zu vernetzen und Entscheidungen zu treffen, deren Reichweite, uns oft nicht vollständig bewusst ist. Zwischen diesen beiden Gegensätzen entsteht die Angst.
Manchmal reicht nur ein Zündfunke und die Zweifel sind da: Habe ich die richtige Entscheidung getroffen oder mich ins Verderben gerissen? Was, wenn ich meine Zeit lieber in gewinnbringendere Arbeit investieren sollte und das Schreiben nur ein schöner Traum ist? Schenke ich meinem Tagesjob genug Aufmerksamkeit oder lebe ich längst in einer Phantasiewelt? Wenn solche Gedanken kommen, rollt der Zug. Deine Phantasie malt dir in den schönsten Farben aus, was alles passieren könnte, wenn… Meine Lieblingsphantasie: irgendwann völlig mittellos dazustehen, weil die Realität den ausgedachten Zielen meines Kopfes nicht standhält.
Rational gesehen, ist das völlig abwegig, das weiß ich. Aber in solchen Momenten bist du nicht rational. In solchen Momenten wirft dein Künstlerego die Hände in die Luft und ergibt sich dem Sturm der vermeintlich sinnvollen Überlegungen. Du spielst schließlich nur in Gedanken durch, was passieren könnte, wenn du XY tust. Du willst ja keinen Fehler machen und dir die Zukunft verbauen. Aber ehe du dich versiehst, steckst du knietief in Grübeleien und auf bestem Wege in die Krise. Gestern war noch alles eitel Sonnenschein. Heute sind da nur noch nagende Selbstzweifel und der Gedanke: Was, wenn meine Zweifel berechtigt sind?
Wir sind Menschen. Wir messen unseren Wert in den Dingen, die wir erreichen. Wenn wir nichts erreichen, gefährden wir unsere Existenz.
Aber wenn deine schlechten Tage die Kontrolle über dich übernehmen, wirst du handlungsunfähig und erreichst gar nichts. Du lebst in der Angst vor der Zukunft, obwohl die Zukunft überhaupt noch nicht existiert. Und mal ganz ehrlich: Wann ist eine deiner Vorstellungen von der Zukunft schon einmal genau so eingetroffen, wie du sie dir ausgemalt hast, im Schlimmen wie im Guten? Egal wie schön ich mir einen Urlaub ausmale, er wird immer anders werden als ausgedacht. Eben anders schön. Und noch nie bin ich auf dem Zahnarztstuhl tatsächlich gestorben, auch wenn ich vor dem Termin anderer Ansicht war.
Jeder hat mal einen schlechten Tag, und nur, wenn du deinen Zweifeln erlaubst, dein Denken zu übernehmen, kann aus einem Tag auch mal eine Woche oder ein Monat werden (oder wie in meinem Fall: Jahre). Wir brauchen schlechte Tage, weil sie der Kompass unserer Probleme sind. Sie zeigen uns, wovor wir wirklich Angst haben. Sie lassen uns darüber nachdenken, was wirklich schiefgehen könnte. Hör genau hin, wenn die Zweifel kommen und dann überlege, was du konkret unternehmen kannst, um dich wieder besser zu fühlen. Jetzt. Und nicht in der Zukunft. Und dann tu es. So verhinderst du, dass der schlechte Tag sich endlos ausdehnt.
Wenn deine Lebenssitutation schlecht ist, hast du genau jetzt die Möglichkeit, sie zu ändern. Gestatte deinen Zweifeln sich mal kurz so richtig auszukotzen. Und dann überlege dir, was sie dir sagen wollten, wo genau deine aktuelle Unzufriedenheit eigentlich liegt. Was macht deinen Leben so unerträglich?
Ich weiß, dass ich auf mein Sicherheitsbedürfnis achten muss. Ich kann nicht schreiben, wenn im Hintergrund die Unsicherheit dräut, mir morgen kein Butterbrot mehr kaufen zu können (oder noch schlimmer: keine Bücher!). Ich brauche diese Absicherung und muss einen Teil meiner Kräfte dorthin kanalisieren.
Mach dir klar, dass deine Zweifel nicht real sind, sondern nur ein Abbild deiner Angst vor der Zukunft. Du hast genau jetzt alle Möglichkeiten, du bist genau jetzt in Sicherheit. Verunsicherung und Selbstzweifel sind für Künstler doch alte Bekannte. Wenn wir akzeptieren, dass sie von Zeit zu Zeit vorbeikommen, um zu nerven, und davon ausgehen, dass sie uns tatsächlich auch einen guten Rat geben können, verlieren schlechte Tage ihren Schrecken und werden zu dem, was sie in Wirklichkeit sind: ein Richtungsweiser, der unseren Weg korrigieren kann.
Ein schlechter Tag bringt dir zwar nicht die Lösung all deiner Probleme, aber er zeigt dir konkret, was du jetzt und hier an deiner Situation verbessern kannst, den einen Schritt, der dir vielleicht bisher gefehlt hat. Lass dich auf den Scheißtag ein, mach ihm einen Kaffee und lass ihn plaudern. Es beruhigt ungemein zu wissen, was du von deinem Leben oder deinen Projekten wirklich erwartest. Du musst nicht sofort alle Antworten parat haben. Aber wenn du bereit bist, der Wut und der Trauer in dir zuzuhören, dann kommen sie mit der Zeit, weil dein Bild von dir und deinen Wünschen wächst.
Das Schöne daran ist: so geht ein schlechter Tag konstruktiv vorbei und nicht mit ganz viel Selbstvorwürfen. Denk immer daran: es ist nur ein schlechter Tag, kein schlechtes Leben!
„Ein Kind hat kein Problem damit, an das Unglaubliche zu glauben (…). Nur du und ich, mit unseren großen Gehirnen und kleinen Herzen, zweifeln und ÜBER-denken und zögern. Denke nicht nach, handle.“
Steven Pressfiel, Do the Work

Kein Schreibratgeber hat mich je so schön in den Arsch getreten wie die Bücher von Steven Pressfield. Nach der Lektüre von „Do the Work“ fällt dir keine einzige Ausrede mehr dafür ein, warum du dein Projekt nicht durchziehen solltest, vom Anfang bis zum Ende. Pressfield bringt die Fakten kurz und knackig auf den Punkt, du musst nur noch anfangen.

Vom Ton her ganz anders als Pressfield, hat Tolle mir wie kein anderer klar gemacht, dass es nichts gibt, vor dem wir uns fürchten müssen, wenn wir im Moment leben und unsere Möglichkeiten nutzen, anstatt zu jammern. Was er in „Jetzt! Die Kraft der Gegenwart“ ausführt, hat eine bestechende Logik und wirkt ungemein befreiend.
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