Manchmal bin ich ein Zombie.
Und zwar immer dann, wenn ich lange nicht geschrieben habe.
Jedesmal, wenn ich dann auf Instagram oder Tumblr den Hashtag #autorenleben verwende, komme ich mir vor wie eine Betrügerin. Leute, ich habe seit Monaten nicht geschrieben. Ich kann mir in solchen Zeiten sehr präzise einreden, dass mir das nichts ausmacht, denn ich tue ja jeden Tag eine ganze Menge anderer kreativer Dinge. Aber irgendwann kommt unweigerlich dieser Moment, an dem die Bombe platzt und ich nicht mehr weiß, was ich hier eigentlich tue…
An diesem Wochenende stand er vor der Tür, mit gepacktem Koffer, darin eine riesen Ladung Selbstvorwürfe und lähmender Migräne. Was war passiert? In der letzten Woche ist meine Geschichte zurückgekommen, hat sich in meinem Kopf festgesetzt, an meinen Träumen gekratzt. Sie war wieder da! Und mit ihr all die Lieben und das Wollen – und dann: ich öffne die Datei, starre auf die Seiten und denke: scheiße, das ist schlecht.
Ich gebe zu, ich bin eine schlechte Freundin. Ich steche meinen Geschichten gerne ein Messer in den Rücken, nachdem sie mir gerade ihr freundliches Gesicht gezeigt haben. Und das liegt daran, dass ich nicht die coole, toughe Künstlerin bin, die vermutlich jede kreative Frau gerne sein würde. Ich bin überängstlich. Bei allem, das ich mir zugestehe, zu veröffentlichen, habe ich Angst vor Kritik und Ablehnung. Und deshalb (und weil ich heillos perfektionistisch bin), brauche ich so lange, bis ich eine Geschichte geschrieben habe, ein Foto geknipts, eine Collage geklebt. Ich habe IMMER das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Ich filtere alles. ALLES, was von mir nach außen dringt, ist vorher durch 1000 Filter gegangen. Das ist mein glamouröses #künstlerleben. Ich habe mich so sehr gefiltert, dass ich darin erstarrt bin.
Ich ertappe mich dabei, wie ich selbst über Dingen, die ich liebe, in verkrampfter Haltung sitze: mit gerunzelter Stirn, Zunge zwischen den Zähnen, angehaltenem Atem und rundem Rücken. Das erzeugt ganz realen #künstlerschmerz. Und dann die ewige Panik: was, wenn das alles scheiße ist? Mittlerweile habe ich täglich Spannungschmerzen, die aus vielen, vielen Jahren Fehlhaltung und Verkrampftheit resultieren.
Ich ahne, dass ich nicht die Einzige sein kann, der es so geht: Was ich tue, was ich schreibe, wie ich mich gebe – alles ist auf Außenwirkung getrimmt, alles ist ein einziger Krampf. Leute, was tun wir uns da an? Warum müssen wir uns als Künstler so voranpeitschen, um Ziele zu erreichen, von denen wir nur denken, dass sie sozial akzeptabel sind? Die Erwartungen, an denen wir uns messen, und von denen wir glauben, dass sie von außen an uns gerichtet werden, haben wir uns doch zum größten Teil selbst ausgedacht. Eigentlich glaube ich, dass unsere Umwelt, „die Leute“, „der Markt“ das alles gar nicht von uns wollen. Die wollen authentische Künstler, ungefiltert.
Das, was ich schreibe, bin ich. Und das war mir viel zu lange peinlich. Wenn Ihr es nicht selbst tut, habt Ihr vielleicht keine Ahnung wie PEINLICH schreiben sein kann. Da kommt so viel Rotz raus, den ich dann zwanghaft rauskürze. Dabei ist es dieser Rotz, der mich schreiben lässt. Ich liebe eine Dosis Kitsch, eine schmalzige Liebesszene. Und Mädchen, die gerettet werden müssen. Und Jungs, die gerettet werden müssen. Und Jungs, die von Mädchen gerettet werden müssen…
Was ist marktkonform, was ist richtig, welche Erzählperspektive wähle ich, wer darf mein Protagonist sein (mir hat mal meine damalige Agentin gesagt, für eine Autorin wäre es besser, über Frauen zu schreiben. Warum das bei Männern anders ist, hat sie mich nicht wissen lassen…)? Ich habe mir immer eingeredet, dass ich darauf nichts geben würde. Aber ich habe es eben doch getan. Ich habe die gut gemeinten Ratschläge meiner Agentur oder eines Verlages, der gerne wollte, dass ich die Hälfte eines Romans umschreibe, damit er besser in ihr Programm passt, in mich reingefressen und in mein Unterbewusstsein einprogrammiert. Sie sind zu einer weiteren Eben geworden, die mich vom Schreiben abhält. Wie lange kann man sich vormachen, dass man genau sein Ding macht, obwohl man genau das gar nicht tut?
Wer bin ich unter all dem Fremdkram an Erwartungen? Ich will wieder das unbeschwerte Mädchen sein, das früher aus purer Liebe Geschichten erfunden hat. Ich bin eine Geschichtenerzählerin. Das ist es, was ich schon immer getan habe. Also werde ich jetzt endlich den steifen, unbequemen Schriftstellerpin aus meinem Hintern ziehen (Leute … im übertragenden Sinne!), das „Autorin“-Label von der Stirn kratzen und es endlich wieder tun. Ohne falsche Erwartungen, freundlich zu mir und freundlich zu meinen Protagonisten, die immer viel mehr als das sind, meine Leute.
Sein wir doch mal ehrlich: genau genommen erwartet NIEMAND etwas von uns. Die Welt der anderen dreht sich auch ohne unsere Geschichten, Bilder und Fotos weiter. Aber wir tun es nicht. Ohne sie bleiben wir irgendwann stehen. Kunst aus der Notwendigkeit heraus zu schaffen, dass sie getan werden muss – ich habe vergessen, wo ich das gelesen habe. Aber es ist der beste Grund für Kreativität. Schreiben, zeichnen, Musik machen, das sind Momente, die uns kein Fremder da draußen wiedergibt, wenn wir sie uns nicht holen. Wir MÜSSEN nichts – nur schreiben, malen, fotografieren, basteln, peinlich sein. Wir müssen nur Spaß haben. Ich habe viel zu lange keinen mehr gehabt. Und vielleicht freue ich mich sogar schon ein kleines bisschen auf’s peinlich sein…
Bleibt kreativ!
~ stefanie ~
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